Hinterland

Im Bahnhofskurvenabendwind,
Die andern waren am Gehen,
Bestellte sie noch zwei Absinth.
Mein Herz blieb beinah stehen.
Drüben auf der Wartebank:
Soldaten hackedicht.
Ich nahm all meinen Mut zusammen,
Sie sagte: warum nicht.
Kickstart, Kurvenlegen, unversehrt
Kam ich mit ihr durch jede Tür,
Sagte: Deine Bewegungen sind erstrebenswert.
Und sie: Wir gehen zu dir.
Dinge entwickelten sich schnell
Zwischen mir und Annabelle.

Unter Landkarten an Wänden,
Auf einer Decke aus Samt,
Haben wir aus vollen Händen
Familienbilder verbrannt.
Am Bahnsteig unten, kerzenstrack,
Offizier in Camouflage.
Dahinter, pappenfrei und satt,
Rauchten Fußballfreunde Gras.
Wir wollten uns nie mehr verlieren.
Ich setzte alles auf sie,
Und weil wir anfingen zu frieren,
Sie mir die Katze aufs Knie.
Als wir Hauptdarsteller waren
In fühherbstgoldenjungen Jahren.

Dann fuhr das Hauptfeld an die Wand,
Die Bahnhofstraße voller Blut.
Flaggen, Pacecar, Kopfverband,
Schaufensterscheiben kaputt.
Der Bahnsteig füllte sich mit Menschen,
Die auf Koffern, voll gepackt,
Pusteten in ihre Hände.
Komm mit mir, hab ich gesagt.
Am Himmel graue Formationen,
Vor der Halle Polizei.
Sie strich sich mit dem Telefon
Traurig übers Nasenbein. 
Kommt mir heut so vor,
Dass ihre Liebe da erfror.

Sie sagte: Egal wohin,
Ich gehe mit und sogar weiter,
Doch als die Wände runterkamen –
Okay nicht hier, trotzdem: 
Als die Wände runterkamen,
Schaffte sie’s nicht mal auf die
Andere Straßenseite.

Kaufte sich den warmen Mantel
Vom Berber mit dem leeren Blick,
Wühlte lange noch im Schrank
Nach Bildern vom vergangenen Glück.
Ich rief: Los, pack deine Tasche,
Sirenen heulen, wir müssen raus.
Sie nannte mich Versager-Flasche
Und kratzte mir die Augen aus.
Der Bahnsteig war jetzt menschenleer,
Regen trommelte aufs Dach.
Ich sah noch lange hoch zu ihr
In meinem dünnen Anorak,
Bis er einfuhr und verschwand,
Der letzte Zug ins Hinterland.